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Die Anger von der Quelle bis zur Mündung
Die Anger bei Angermund
Pegel Ratingen
Der rechtsrheinische, in der letzten Eiszeit (vor mehr als
20.000 Jahren) entstandene Zufluss zum Rhein entspringt im Stadtteich in Wülfrath
im Osten und fließt auf einer Länge von ca. 36 km durch den Kreis Mettmann,
den Norden Düsseldorfs und den Süden Duisburgs bis zur Mündung in Duisburg-Angerhausen.
Im östlichen Verlauf ist die Anger verhältnismäßig stark geneigt. Bei Lintorf
trifft sie auf die niederrheinische Niederterrasse und fließt von dort mit geringem
Gefälle durch den Kalkumer Forst an Angermund vorbei bis zum Rhein. über die
Hälfte des Einzugsgebiets sind landwirtschaftliche Flächen. Im Westen (im alten
Amt Angermund bzw. späteren Amt Angerland) ist die Besiedlung sehr dicht.
Entlang der Anger zeugen Burgen, Adelssitze, Rittergüter,
Mühlen und Fabriken von einer über 1000jährigen Kulturgeschichte. Von Wülfrath
fließt die Anger vorbei an der Vogelmühle ins Angertal. Hier wird der Bach von
der mehrfach kreuzenden
Angertalbahn
begleitet, die seit 1903 den Kalk aus den Wülfrather Steinbrüchen zum Rhein
transportiert. Auf Ratinger Gebiet passiert die Anger die Auermühle, die historische
Baumwollspinnerei Cromford,
den Poensgenpark und das Haus zum Haus. Auf dem Wege von Lintorf nach Angermund
durchquert sie die Überangermark, um danach an der Kelllnerei, Haus Bilkrath
und Schloss Heltorf vorbeizufließen. Auf Duisburger Stadtgebiet passiert sie
die Sandmühle, Haus Böckum, Haus Remberg, um durch den Biegerpark zum letzten
ehemaligen Adelssitz, Haus Angerort zu gelangen. In Angerhausen (Duisburg-Wanheim)
mündet der Bach in den Rhein. Die Anger war Ende des 19. Jahrhunderts vor allem
durch die mehr oder weniger ungeklärten Abwässer der vier damaligen Ratinger
Papierfabriken stark verschmutzt. Erste Beschwerden von Angermunder und
Huckinger Bürgern über die fortwährende Blaufärbung des Wasser datieren aus
dem Jahr 1875, aber ein Einschreiten gegen die Verunreinigung war nach Ansicht
des Ratinger Bürgermeisters nicht nötig. Doch die Anwohner der unteren Anger
gaben sich damit nicht zufrieden. 1877 beschwerten sich die Gemeinden
Angermund, Huckingen und Angerhausen über das Ablassen von schädlichen
Substanzen in den Angerbach. Unterstützt wurden sie durch den Fürst von
Hatzfeld-Wildenburg, dem als Besitzer der Kellnerei in Angermund die
Fischerei-Gerechtsame für große Teile der Anger zustanden. Er sah seine
Rechte als entwertet an, weil der Fischbestand stark dezimiert war. Der Ratinger Gewerbeinspektor Dr. Wolff wies nach, dass Ätzkalk, Kalk- und
Glaubersalze, Chlorcalcium, natürliche und synthetische Fabrstoffe sowie
Faserteilchen das Wasser unappetitlich und ungesund machen können.
Die Abwässer der Lumpenkocher flossen direkt in den Bach, die übrigen
Abwässer wurden in viel zu kleinen Anlagen nur unzureichend gereinigt. Die
Ratinger Papierfabrikanten versprachen zwar in einer Verhandlung am
15.12.1877 die Vergrößerung und Verbesserung der Kläranlagen, doch trotz
einiger Investitionen verbesserte sich die Situation nur unwesentlich.
Beschwerden der Anwohner wurden 1878 vom Referenten bei der Regierung in
Düsseldorf abgeschmettert, mit dem Hinweis, dass in allen an der unteren
Anger gelegenen Gemeinden kein Mangel an Brunnenwasser und der Boden so
wasserhaltig ist, dass ohne Kosten sich überall Viehtränken einrichten
lassen. So vermögen wir in der zeitweisigen Verunreinigung der Anger ...
keine Beeinträchtigung des Bedarfs der Umgegend an reinem Wasser zu
erblicken. Doch in den nächsten Jahren versiegten zahlreiche Brunnen,
da die Bleibergwerke in Lintorf durch starke Pumpen den Grundwasserspiegel
in der Umgebung abgesenkt hatten. Im Mai/Juni 1882 grassierte in Angermund
eine Typhusepidemie. Vier Menschen starben, Bürgermeister Karl Baasel nahm
das zum Anlass, bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen unbefugter
Verunreinigung von Gewässer Klage einzureichen. Der Landrat des Kreises
Düsseldorf empfahl der Regierung, den Papierfabriken das Ablassen der
Schadstoffe unter Strafandrohung zu untersagen. Hatte die Regierung in
Düsseldorf bisher immer gebremst, so reagierte sie nach dem Auftreten des
Typhus nun doch. Am 19. November 1884 wurden die Bürgermeister vom Ratingen
und Eckamp aufgefordert,
den Papierfabriken ab 1. Mai 1885
die Einleitungen von sauren, alkalischen, oder
Schwefelverbindungen enthaltenden Abwässern zu untersagen. Im Dezember 1885
meldete der Landrat, dass die fraglichen Klärvorrichtungen ... nunmehr
vollständig eingerichtet sind und ganz gut funktionieren. Nach
zehnjährigen Appellen und Klagen der Anwohner war das Wasser der Anger
endlich wieder klar und rein. (1)
Im Juli 2012 befuhren nachlanger Zeit Kajakfahrer die Anger zwischen
Ratingen-Tiefenbroich und der Mündung. Ihr Weg führte durch die Überanger Mark und Angermund,
vorbei an Kellnerei, Angerbenden, Haus Bilkrath und Schloss Heltorf. Viele
ungewohnte Blicke auf die Landschaft entlang des gemächlich
dahinfließenden Baches: eine wunderbare sommerliche Bootstour. Doch nicht
immer war es so idyllisch. In der Ortslage Angermund trat die Anger im 20.
Jahrhundert regelmäßig über die Ufer. Nach der Schneeschmelze und nach lang
anhaltenden Regenfällen kam es immer wieder zu schweren Hochwasserschäden,
so z.B. 1926, 1942, 1952, 1961, 1980. Teilweise stand Angermund bis zur Rahmer
Straße oder bis An den Kämpen unter Wasser. Wolffs Mühle musste dann den
Betrieb einstellen, die Keller liefen voll Wasser und viele Häuser waren nur
über Planken und schnell zusammengezimmerte Stege erreichbar. Noch in den
1990er und den frühen 2000er Jahren gab es Überflutungen, wenngleich nicht
in dem Umfang wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Heute unterliegt die Anger einem strengen Hochwasserschutz, da
sie ohne Regulierungsmaßnahmen immer noch weite Teile der Städte Ratingen, Duisburg und
Düsseldorf gefährden könnte. Seit 2009 wurde der Hochwasserschutz in
Angermund im Rahmen des
bestehenden Hochwasseraktionsplan durch den Bergisch-Rheinischen-Wasserverband
deutlich verbessert. In den Jahren 2009 bis 2011 entstand für die
Anger zwischen den Angerbenden und der Bahntrasse auf ca. 280 Meter Länge ein
neues Bachbett. Der Altarm wurde als Überschwemmungsgebiet gestaltet, er bietet
jetzt Vögeln Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten. Die Ufer wurden durch Bepflanzung
mit heimischen Gehölzen renaturiert. Zugleich wurde die Hochwassergefahr des
in
Fließrichtung unterhalb Wolffs Mühle liegenden Abschnitts bis jenseits
der Unterquerung Angermunder Straße durch
teilweise Verlegung des Bachbetts und Engstellenbeseitigung
gesenkt. 2013/2014 und 2020 wurde der Hochwasserschutz oberhalb von Wolffs Mühle
in zwei Bauabschnitten auf einer Länge von ca. 500 m verbessert. Im ersten
Bauabschnitt wurde das seit langem nicht mehr in Betrieb befindliche Mühlenwehr zurückgebaut,
der
Sohlenabsturz beseitigt und die Bausubstanz gesichert. Im Sommer 2020 wurden
dann die Uferböschungen mit Senksteinen gesichert und die bachbegleitende
Verwallung ertüchtigt.
Die Anger kann in der Ortslage Angermund auf einer Strecke
von gut 1,5 Kilometern mit einer Geschwindigeit von 10 m³/Sek. fließen, ohne über die Ufer zu treten.
Nach anhaltenden Starkregenfällen trat die Anger in der Nacht vom 14./15.
Juli 2021 an mehreren Stellen über die Ufer. Während das Hochwasser an Ahr
und Erft über 180 Tote forderte und Sachschäden in Milliardenhöe anrichtete,
wurde das Angertal im Bereich Auermühle komplett überflutet; in Ratingen
wurden der Poensgenpark und
Haus zum Haus durch das Hochwasser schwer in Mitleidenschaft gezogen. Doch
an der unteren Anger, bewiesen die Hochwasserschutzmaßnahmen ihre
Wirksamkeit. Der Pegel am Spaltbauwerk der Anger in Ratingen-Tiefenbroich
stieg zwar binnen Stunden von 42 cm (Normalwasserstand) um über zwei Meter
auf 254 cm, doch dank der Ableitung großer Wassermassen in den
Entlastungsgraben durch rechtzeitige Öffnung des Seitenwehrs und dank der
wasserbaulichen Ertüchtigung in der Ortslage Angermund blieb die Anger in
ihrem Bett.
Zur Vervollständigung des Schutzes vor einem Hochwasser, wie
es statistisch gesehen einmal in 100 Jahren zu erwarten ist (HQ 100), muss auch der letzte Bauabschnitt verwirklicht werden. Dabei soll die Anger im
größtenteils unbebauten Gebiet zwischen der Bahntrasse und der Stadtgrenze
zu Duisburg zu einer Auen- und Waldlandschaft zurückgebaut und der maximale Wasserdurchlauf auf 13,5 m³/sek. erhöht werden.
(2) Seit Herbst 2021 wurden wurden zwischen der Bahnlinie und der Heltorfer
Schlossallee Gehölzschnitte und Rodungen zur Schaffung der benötigten
Retentionsflächen durchgeführt. Ab Anfang 2023 wird der 4,1 Kilometer lange
Bereich der Anger zwischen der Bahnlinie in Angermund und der A524 an der
Stadtgrenze zu Duisburg umgebaut. Die Umgestaltung soll auch wieder
dem Hochwasserschutz dienen, aber diesmal sind die ökologischen
Verbesserungen des Gewässers das Hauptziel der Arbeiten, die rund 7,9
Millionen Euro kosten werden und in sechs Teilabschnitten umgesetzt werden.
Geplant ist, die Anger als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu entwickeln.
Dafür sollen unter anderem Auen als natürliche Überschwemmungsräume
entstehen. Für den naturnahen Umbau wird ein neues Gewässerbett geschaffen,
welches parallel zum Fluss gebaut wird und nicht mehr starr und gerade
verläuft. Das alte Gewässerbett wird anschließend verfüllt. In einem
größeren Umfang muss dann Boden ausgehoben und abgefahren werden. Für diesen
Transport werden mehrere temporäre Baustraßen eingerichtet. Die
umfangreichsten Arbeiten werden auf Höhe des Hauses Bilkrath durchgeführt,
denn dort wird eine Anlage errichtet, mit der Sedimente aus dem Wasser
gefiltert werden können. Das soll verhindern, dass der Abfluss des Wassers
durch Ablagerungen im Flussbett eingeschränkt wird. Da die dort vorhandene
Brücke nicht standsicher genug für die schweren Betriebsfahrzeuge ist, die
den gesammelten Sand abfahren sollen, muss eine neue Brücke gebaut werden.
Keine Veränderung wiederum wird es im Heltorfer Schlosspark geben, denn die
Anlage steht unter Denkmalschutz. Der naturnahe Ausbau der Anger soll später
im Süden von Angermund fortgesetzt werden. Allerdings gibt es für diesen
Teilabschnitt noch keine Planungen. (3)
Wie bei solchen Projekten üblich, wurde bei Beginn der Arbeiten Mitte 2024
eine Kampfmittelsondierung durchgeführt. Alleine im ersten von sechs
Teilabschnitten für die Bewegung von ca. 90.000 Kubikmeter Boden mussten
rund 200 Verdachtspunkte vorsichtig freigelegt werden. Dabei entdeckte man
bereits 20 Brandbomben. Sie wurden vermutlich in der Nacht zum 22. August
1943
abgeworfen, als Angermund den bis dahin schwersten Bombenangriff erlebte.
Alleine in dieser Nacht gingen auf Angermund eine Mine, etwa 14
Sprengbombern und tausende von Brandbomben nieder. "Merkwürdigerweise wurde
wieder die Heltorfer Gegend am meisten betroffen."(4)
Die Kampfmittelräumung soll nun bald abgeschlossen sein, so dass die Arbeiten zwischen Bahn
und Heltorfer Schlossallee weitergeführt werden können. Die Kosten für diesen
Abschnitt inklusive Sediment-Filteranlage und Brückenneubau sind voriges
Jahr auf 7,7 Mio Euro veranschlagt worden, die zu 80% vom Land NRW getragen
werden. (5) Quellen:
(2)
Wasserrechtlicher Antrag des Bergisch-Rheinischen Wasserverbands: Anger
- Sanierungsmaßnahmen in Angermund, Abschnitt 1 von km 4,232 bis km 8,375.
(Juni 2019).
(3) "Die Anger wird nun naturnah umgestaltet" Rheinische Post, Ausgabe
vom 8. November 2022.
(4) "Angermund im Dritten Reich", Christian F. Seidler, Neuerscheinung
Herbst 2025.
(5) "Bombenfunde verzögern Anger-Ausbau" Rheinische Post, Ausgabe vom 1.
Juli 2025. |